29
Januar
2025
|
10:00
Europe/Amsterdam

Mehr Vertrauen in die Wirtschaft

Zusammenfassung

Weltweit herrscht Frust und Depression. Eine massive Vertrauenserosion, die auch mit Hilfe der Wirtschaft überwunden werden kann und muss. Dazu braucht es einen neuen Politikstil, der ihr genügend Vertrauen entgegenbringt.

Polykrise, Zeitenwende, Epochenbruch: Die Zusammenballung der massiven Konflikte und Herausforderungen, die unser Jahrzehnt bislang prägt, hat sich nicht nur mit neuen Begriffen im kollektiven Gedächtnis niedergeschlagen. Sie hat auch dazu geführt, dass sich weite Teile der Menschheit inzwischen wie unter einer düsteren Glocke fühlen – hochgradig verunsichert, verängstigt, unzufrieden. Laut dem aktuellen Edelman Trust Barometer herrschen weltweit massive Vertrauenserosion und Zukunftsangst.

Was mich als ausgeprägten Optimisten besonders betroffen macht: Nur gut ein Drittel aller Befragten glaubt noch an ein positives Morgen. In Deutschland, wo die Studie jetzt vorgestellt worden ist, rechnen sogar bloß noch 14 Prozent damit, dass es der nächsten Generation einmal besser gehen wird. Und zur Depression kommt der Frust: Ganze 69 Prozent – deutlich mehr als der globale Durchschnitt – hegen hierzulande einen starken bis mittleren Groll. Gegen politisch Verantwortliche, gegen Unternehmen, gegen die „oberen Zehntausend“.

Angesichts vieler Versäumnisse aus vielen Jahren ist das Verlangen nach Veränderung mit Händen greifbar. Und die Bereitschaft, sie auch mit radikalen Mitteln durchzusetzen, nimmt zu: Fast vier von zehn Befragten befürworten feindseligen Aktivismus. Mit Blick auf die Bundestagswahl sollte das ein Weckruf für alle Akteure im demokratischen Spektrum sein. Ein Appell zu Zusammenarbeit und Lösungsorientierung.

An konkreten, wenn auch teils konträren Plänen, wie sich der Reformstau beheben lässt, herrscht unter Politikern, Ökonomen und Fachleuten aller Couleur kein Mangel. Auch meine Branche, die Chemieindustrie, bringt sich mit konstruktiven Vorschlägen in die Debatte ein. Jetzt geht es darum, gemeinsam konstruktive Kompromisse zu finden.

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Ich möchte aber an dieser Stelle vor allem den Blick auf zwei übergeordnete Aspekte in der Vertrauenskrise lenken. Zum einen muss die Chemie wie die Wirtschaft insgesamt mehr Vertrauen aufbauen beziehungsweise zurückgewinnen. Sie muss zeigen, dass es bereits viele gute Lösungen gibt für eine nachhaltige, smarte, resiliente, gesellschaftsdienliche Zukunft. Dass viele engagierte, gewissenhafte Menschen an bahnbrechenden Ideen arbeiten. Dass Fortschritt machbar ist, Endzeitstimmung und Gereiztheit nicht die vorherrschende Gefühlslage sein müssen.

Zum anderen muss der Wirtschaft und der Chemieindustrie aber auch genügend Vertrauen in ihre Kompetenzen entgegengebracht werden. Die Unternehmen benötigen Freiraum, um ihre Fähigkeiten ausspielen zu können. Wer uns am Gängelband führen will, der untergräbt unsere Kreativität, blockiert unser Potential.

Weg vom politischen Mikromanagement

Um wieder ein Klima des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen, braucht es einen neuen Politikstil. Der Staat muss sich im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft wieder auf seine ordnungspolitische Steuerungsfunktion besinnen. Das heißt, auf Basis einer angebotsorientierten Politik generelle Ziele setzen – aber den Weg dorthin der Wirtschaft und ihrer Expertise überlassen. Große Linie statt kleines Karo.

Denn die Unternehmen finden im Wettbewerb meist die besten Lösungen und setzen sie effizient um. Dafür müssen sie nach dem Prinzip der Technologieoffenheit diejenigen Verfahren und Produkte selbst bestimmen können, die ihnen am meisten Erfolg versprechen. Dass sie hierfür von einem aufgeblähten bürokratischen Apparat befreit werden müssen, dessen häufig kleinteilige Auflagen enormen Aufwand nach sich ziehen, versteht sich von selbst.

Wir brauchen aber nicht nur einen neuen Politikstil. Wir brauchen auch gesamtgesellschaftlich eine neue Geisteshaltung. Ein Deutschland als Motor Europas, das zu seiner Anpackmentalität zurückfindet. Das mehr Realitätssinn entwickelt. Das sich endlich wieder als Triebwerk des technologischen Fortschritts definiert. Und in dem die Empathie überwiegt. Ein Deutschland aus Hightech und Herz.

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