24
Juli
2025
|
10:00
Europe/Amsterdam

Erde am Limit: Rasch neue Technologien erlauben

Zusammenfassung

Die Erde wird immer mehr ausgebeutet, ihre Regenerationsfähigkeit immer geringer. Neue Recyclingtechnologien müssen daher dringend erlaubt werden. Die EU macht jetzt einen Anfang, aber es geht nur in Trippelschritten voran. Mehr Tempo bitte!

Eine Woche. In unserem oft hektischen Alltag ist das nicht viel. Für den Zustand unserer Erde bedeuten sieben Tage aber einen riesigen Unterschied. Denn genau um diese Spanne hat sich dieses Jahr ein kritischer Indikator nach vorne verschoben: Der globale Earth Overshoot Day fällt mittlerweile bereits auf den 24. Juli. So früh wie nie zuvor. Und der Sprung war auch noch nie so groß. 

2024 hatte noch der 1. August jenes Datum markiert, an dem die natürlichen Ressourcen, die das Ökosystem unserer Erde innerhalb eines Jahres herstellen kann, statistisch gesehen aufgebraucht sind. Mit anderen Worten: Die Menschheit benötigt für ihren Lebensstil inzwischen 1,8 Erden. Dabei blutet schon die schöne eine Erde aus, die uns zur Verfügung steht. Und noch eine andere Zahl stimmt mich bedenklich. Die Gewinnung und Verarbeitung materieller Ressourcen sind für über 55 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, von den Auswirkungen auf Biodiversität und Umwelt ganz zu schweigen.

Nachhaltig geht anders. Wir wirtschaften, produzieren und konsumieren, als ob es das Pariser Klimaabkommen – vor zehn Jahren voller Inbrunst verabschiedet – und andere Vereinbarungen zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen nicht gäbe. Statt weniger Kohlekraftwerke werden rund um den Globus immer mehr gebaut. Der weltweite Erdölverbrauch nimmt immer weiter zu. Und strategische Rohstoffe wie die für Elektromobilität, Energiewende oder elektronisches Gerät begehrten Seltenen Erden stehen vor einem regelrechten Nachfrageboom. 

Ungehemmter Ressourcenverbrauch

Insgesamt rechnet das UN-Umweltprogramm damit, dass bis 2050 der weltweite Verbrauch natürlicher Ressourcen im Vergleich zu 2020 um weitere 60 Prozent in die Höhe schnellt. Das geht einher mit einer enormen Zunahme der Abfallmenge. Allein der Kunststoffmüll dürfte sich binnen vier Jahrzehnten bis 2060 nahezu verdreifachen. 

Für mich heißt das: Wir müssen Konsum, Produktion und Wertschöpfung dringend in nachhaltigere Bahnen lenken. Ein großer Hebel ist der enorme Energieverbrauch der Menschheit, der bis zur Jahrhundertmitte noch einmal um die Hälfte steigen dürfte. Durch Effizienzgewinne und den Umstieg auf erneuerbare Quellen muss die Entwicklung einigermaßen mit den Umweltfolgen in Einklang gebracht werden. 

Der andere Hebel ist die Kreislaufwirtschaft. Güter so viel wie möglich wiederzuverwenden und zu recyceln ist der Königsweg zur Ressourcenschonung. Doch im Moment hat die Welt hier den Rückwärtsgang eingelegt: Die globale Kreislaufrate ist auf nur noch 6,9 Prozent gesunken – ein Minus von über zwei Punkten gegenüber 2015. Dabei stehen gute neue Technologien wie das chemische Recycling und Verfahren die Massenbilanzierung bereit.

Download Media Kit
Download

Chemisches Recycling – man zerlegt Abfälle in ihre Moleküle und setzt diese wieder neu zusammen – wird unbedingt gebraucht als Ergänzung zum üblichen mechanischen Recycling. Hier werden alte Produkte wie Kunststoffe zerkleinert und geschmolzen, wodurch neues Material entsteht. Das Verfahren ist aber für viele Plastikarten nicht brauchbar. 

Massenbilanzierung wiederum kommt bei Mischungen aus fossilen und alternativen Rohstoffen wie eben Rezyklaten oder Biomasse ins Spiel. Diese Methode erlaubt es, den Anteil der nachhaltigen Rohstoffe rechnerisch zuzuordnen. Auch an diesen Ansatz hat insbesondere die Chemie- und Kunststoffbranche hohe Erwartungen. 

Was bislang vor allem fehlt, ist die politische Dynamik. Wir brauchen endlich solide gesetzliche Grundlagen. Damit die Industrie chemisches Recycling und Massenbilanzierung rechtssicher anwenden kann. Damit klare Standards entwickelt werden und Zertifizierungssysteme auf den Markt kommen. Und damit diese zukunftsweisenden Ansätze in den Köpfen der Verbraucher landen. 

Erste Schritte in Brüssel 

Immerhin scheint die EU-Kommission die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. In ihrem kürzlich vorgelegten Aktionsplan für die Chemie erkennt sie immerhin an, dass chemisches Recycling einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, die Abhängigkeit der EU von fossilen Rohstoffen für die Kunststoffproduktion zu verringern und Altprodukte aufzuwerten.

Und ein erster konkreter Schritt folgt auch schon: In der Richtlinie über Einwegkunststoffprodukte, die derzeit überarbeitet wird, will Brüssel chemisches Recycling und Massenbilanzierung erlauben. Ein entsprechender Vorschlag zur Berechnung des Recyclinganteils in Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff liegt gerade auf dem Tisch.

Aber leider geht es nur in Trippelschritten weiter: Akte für Akte wird aufwändig einzeln angefasst. Immerhin besteht die Aussicht, dass auch die wichtige Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte – sie gilt für fast alle physischen Güter – um chemisches Recycling und Massenbilanzierung erweitert wird.

Auf jeden Fall sollten jetzt rasch alle Hebel gezogen werden, um das Recycling anzukurbeln und die Kreislaufwirtschaft wieder nach vorne zu bringen. Damit der Earth Overshoot Day hoffentlich bald wieder nach hinten wandert.

Kommentare (0)
Danke für Ihre Nachricht. Sie wird nach Freigabe angezeigt.